Wenige Monate vor seinem Ausscheiden aus dem Amt sieht Nicaraguas Staatschef Arnoldo Alemán seine Felle davon schwimmen. In den jüngsten Meinungsumfragen liegt Daniel Ortega weit in Führung. Immer mehr ehemalige Mitstreiter verlassen Alemáns sinkendes Schiff.
Zuerst löste Montenegro den Unmut Alemáns aus, als er ankündigte, der Rechnungshof werde die Diäten der höheren Beamten und verschiedene Infrastrukturvorhaben des Präsidenten (z.B. Bau eines weiteren Helikopterlandeplatzes auf einer seiner Haciendas) untersuchen. Alemán beschimpfte den Rechnungsprüfer als kleinen, schlecht informierten Buchhalter. Was wiederum den honorigen Juristen auf die Palme brachte. Er berief eine Pressekonferenz ein und wandte sich dabei direkt an den Präsidenten, seinen einstigen Du-Freund: Meine Ehrlichkeit gegen die deine. Und, an die JournalistInnen gewendet, fuhr Montenegro fort: Ich habe ihn schon gekannt, bevor er ins Bürgermeisteramt von Managua einzog, als er noch ein armer Schlucker war.
Damals hat Alemán, heute einer der reichsten Männer des Landes, in Managua Eier und Heizöl verkauft. Er soll sagen, wie viel er hat, wie er es bekam und woher er es genommen hat, und ich werde ihm zeigen, was ich in 37 Arbeitsjahren erwirtschaftet habe.
Ein anderer ehemaliger Mitstreiter Alemáns, der Ex-Abgeordnete der Regierungspartei Sergio García, hat überhaupt gegen den Präsidenten eine Klage wegen unrechtmäßiger Bereicherung eingereicht. Seinen Angaben nach hat der Präsident ein Vermögen von 250 Millionen Dollar angehäuft und dieses großteils auf Konten auf den Kanarischen Inseln, in der Schweiz und in Miami deponiert.
Nach den jüngsten Meinungsumfragen würde der frühere sandinistische Präsident und Generalsekretär der FSLN, Daniel Ortega, zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Wahlen mit beachtlichem Vorsprung gewinnen. Das Institut Cinase gibt Ortega 38,5 Prozent und Alemáns Kandidaten Enrique Bolańos 32,4 %, Borge & Co ermittelte für den Sandinistenchef 33,4 und für Bolańos gar nur 24,8 %. Interessant auch das Stimmenverhältnis bei den WählerInnen, die heute bereits wissen, wen sie am 4. November wählen werden: Hier liegt gemäß dem Institut Borge Ortega mit 46,2 % vor Bolańos (34,3 %) in Führung.
Entsprechend gereizt ist auch in letzter Zeit das Klima zwischen den beiden größten Parteien im Lande geworden. Vorbei der machtpolitische Honeymoon zwischen Alemáns Liberalen und Ortegas Sandinisten, der in dem berüchtigten Pakt gipfelte, mit dem die beiden wichtige Verfassungsänderungen zu ihren Gunsten durchsetzten. Und der bei der immer noch existenten Solidaritätsbewegung mit den Sandinisten weltweit einen Schrei der Empörung auslöste.
Das Ergebnis dieser Meinungsumfragen hat in Kreisen der Regierung und der US-Botschaft Alarm ausgelöst. Der nordamerikanische Botschafter Oliver Garza verbrachte die ganze Karwoche im Badeort San Juan del Sur, um dort mit Mario Rapacciollo, Präsident der Konservativen Partei, und mit dem Bankier und ehemaligen Außenminister Eduardo Montealegre, heute Vizepräsident der Liberalen, zu konferieren. Er wollte die beiden dazu bringen, für die Wahlen ein konservativ-liberales Bündnis aufzustellen, um die junge nicaraguanische Demokratie vor dem Gespenst des Kommunismus zu retten!
Da Garza erfolglos blieb, schickte US-Präsident Bush am Pfingstwochenende den früheren Botschafter in Managua, Lino Gutiérrez, als Emissär nach Managua, um die zersplitterte Rechte in eine antisandinistische Einheit zu zwingen. Die Drohungen aus Washington klingen nunmehr schon deutlicher: Man habe kein Vertrauen in die Sandinisten, sei beunruhigt. Tatsächlich könnte allein schon die Möglichkeit einer neuen Konfrontation mit den USA viele unentschlossene WählerInnen dazu führen, der Frieden garantierenden Rechten ihre Stimme zu geben.
Gegenwärtig ist die Spaltung der Rechten bei den Wahlen in Konservative und Liberale der größte Trumpf der Sandinisten genauso wie Alemáns Negativ-Image Ortegas bester Wahlhelfer ist. So wäre es auch nicht verwunderlich, wenn das Gerücht von Geheimgesprächen mit den Grünen (in Nicaragua die Konservativen) stimmte. Wenn die Teilung der Stimmen in drei Lager aufrecht bleibt (Alemán sucht immer noch nach einem brauchbaren Vorwand, um die Konservativen von der Wahlteilnahme fern zu halten), wäre es leicht möglich, dass die Liberalen im künftigen Parlament einer deutlichen sandinistisch-konservativen Mehrheit gegenüberstehen. Und das könnte dem heutigen Präsidenten die Freiheit kosten …
Der sandinistische Abgeordnete Wálmaro Gutiérrez hat schon angekündigt, dass Alemán von der nächsten Nationalversammlung direkt ins Gefängnis ziehen könnte. Anklagepunkte gegen den Staatschef zumindest wegen Korruption und Missbrauchs öffentlicher Gelder gäbe es sicher genug. So wird die schlechte Stimmung des Präsidenten verständlich. Wird er vielleicht, so wie Kollege Fujimori sich nach Japan rettete, in die nahen befreundeten Vereinigten Staaten abhauen? Es wäre nicht verwunderlich, denn die Zeit des Arnoldo Alemán scheint endgültig aus zu sein.
Die große Frage ist natürlich, wie sich die Sandinisten um Daniel Ortega verhalten werden, wenn sie tatsächlich und wider Erwarten sogar ihrer eigenen Parteigänger an die Macht zurückkehren. Nachdem sie im Februar 1990 gegen Violeta Chamorro die Wahlen verloren hatten, konzentrierten sie alle ihre Energie darauf, die früher erworbenen Privilegien nicht zu verlieren. Aus der angekündigten Regierung von unten wurde nichts, die radikale Oppositionsrolle verblasste zu schaler Rhetorik, die dann während der Präsidentschaft Alemán sogar jeglichen Schein einer sandinistischen Opposition verlor. Der sandinistische Revolutionskommandant Ortega und der vehement antisandinistische Somozist Alemán schlossen ein Abkommen, mit dem sie sich die Macht im Staate aufteilten.
International renommierte SandinistInnen wie Sergio Ramírez, Gioconda Belli, Ernesto Cardenal kritisierten den Verlust jeglicher sandinistischer Prinzipien und verließen aus Protest ihre Partei. Denn Daniel Ortega, sein Bruder Humberto und FSLN-Mitbegründer Tomás Borge hatten einen Machtblock gegründet, in dem innerparteiliche Kritik keine Chance auf Gehör und noch weniger auf Erfolg hatte. Auch große Teile der sandinistischen Basis lösten sich von der Partei.
Wird Daniel Ortega als neuer alter Präsident Nicaraguas seine früheren revolutionären Prinzipien wieder auspacken? Eher anzunehmen ist ein autoritäres, caudillistisches Modell, das sich nicht durch eine besonders demokratische Kultur auszeichnet. Dennoch würde der Machtwechsel eine Situation schaffen, in der die in zahlreichen NGOs und Volksbewegungen organisierte Zivilgesellschaft mehr Handlungsspielraum erhält. Und ein Staatschef Ortega wird die Bevölkerung nicht so leicht mit rhetorischen Floskeln einlullen können wie der sandinistische Parteichef in seiner gemütlichen Oppositionsrolle.
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